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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 17.01.2002
Aktenzeichen: 4 U 116/01
Rechtsgebiete: BGB, AVB WasserV
Vorschriften:
BGB § 315 | |
AVB WasserV § 9 |
2. Auch dann, wenn eine neue Hauptleitung zur Erschließung eines Neubaugebiets von einer bereits vorhandenen Hauptleitung abgezweigt wird, liegt eine neue Verteilungsanlage im Sinne von § 9 Abs. 5 AVB WasserV vor (ebenso BGH NJW-RR 1988, 1427 für die entsprechende Rechtslage beim Anschluss der Gasleitungen).
3. Es ist nicht unbillig, bei Pauschaltarifen nach Wirtschaftseinheiten Reihenhäuser wie Einfamilienhäuser (und nicht wie Eigentums wohnungen in einer Wohnanlage) zu behandeln, auch wenn sie auf einem rechtlich (noch) nicht geteilten Grundstück errichtet sind.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 17. Januar 2002
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 20. Juni 2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer für die Klägerin beträgt 9.816,80 € (= 19.200 DM)
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten kein Rückzahlungsanspruch zur Höhe der Klagforderung zu. Denn die Beklagte hat den Baukostenzuschuss zur Höhe von 19.200 DM auf der Grundlage des § 9 I, III AVB WasserV i. V. m. der Anlage II zu den allgemeinen Versorgungsbedingungen der Beklagten sowie § 1 I, III der Satzung über den Anschluss der Grundstücke an die öffentliche Wasserleitung sowie Abgabe von Wasser der Samtgemeinde ####### mit Recht gefordert.
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt allerdings keine sog. Altanlage vor. Vielmehr ist neues Abrechnungsrecht anzuwenden.
Denn § 9 V AVB WasserV. ist nur anwendbar, wenn ein Anschluss an eine Verteilungsanlage vorgenommen wird, die bereits vor dem 1. Januar 1981 errichtet worden ist bzw. mit deren Errichtung schon vor diesem Zeitpunkt begonnen worden war. Die von dem Beklagten errichtete Leitungsanlage ist neu in diesem Sinne. Hierbei ist unerheblich, dass die neue Leitung in das Neubaugebiet von einer bereits bestehenden Altanlage im Wege der Abzweigung hergestellt wurde. Auch dann, wenn eine neue Hauptleitung von einer bereits bestehenden Hauptleitung abgezweigt wird, liegt nämlich eine neue Verteilungsanlage vor (vgl. BGH NJW-RR 1988, 1427; dort für Gas, für Wasser aber ebenfalls gültig). Es ist also eine neue Leitung zum Neubaugebiet erstellt worden, sodass neues Recht anwendbar ist, wie auch das Landgericht bereits zutreffend erkannt hat.
2. Auch nach neuem Recht ist der von dem Beklagten einverlangte Baukostenzuschuss jedoch mit Recht gefordert worden. Er hält insbesondere auch der Überprüfung auf billiges Ermessen stand.
a) Zwar sind auch Tarife für Leistungen der Daseinsvorsorge der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterworfen (BGH NJW 1987, 1828 sowie NJW-RR 1992, 183). Dabei sind an die Feststellung, ob Pauschalen - denen immer eine gewisse Ungenauigkeit immanent ist - der Billigkeit entsprechen, keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Die Beweislast für die Billigkeit dürfte zwar bei dem Beklagten als Lieferanten jedenfalls insoweit liegen, als er seine Preiskalkulation offen zu legen hat.
Dieser allgemeinen Billigkeitsüberprüfung halten die von dem Beklagten geforderten Pauschalen jedoch stand. Insbesondere hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 22. Januar 2001 seine Gesamtkalkulation offen gelegt und auch - unstreitig - dargelegt, dass die von ihm erhobenen Baukostenzuschüsse die angefallenen Kosten zu ca. 55 % decken, somit deutlich unterhalb der 70 %-Grenze, die in § 9 I AVB Was-serV. festgelegt ist, bleiben.
b) Die Höhe von dem Beklagten geforderte Kostenpauschale hält auch einer Überprüfung auf Billigkeit im Einzelfall stand:
So sind die von dem Beklagten in Rechnung gestellten Baukostenzuschüsse mit § 9 III AVB WasserV. vereinbar. Gemäß § 9 I AVB WasserV. ist das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt, durch die Erhebung von Baukostenzuschüssen die Anschlussnehmer an den Kosten zu beteiligen, die durch den Anschluss an oder die Verstärkung von örtlichen Verteilungsanlagen entstehen. Wie sich auch aus der amtlichen Begründung zu § 9 I AVB WasserV. ergibt, dient diese Regelung vor allem dem Bedürfnis nach einer verursachungsgerechten Kostenzuordnung.
Die Absätze II und III des § 9 AVB WasserV. enthalten dafür Ermessensgrundlagen. Die amtliche Begründung zu diesen Absätzen (abgedruckt bei Ludwig/Odenthal, Recht der Elektrizitäts-, Gas und Wasserversorgung Bd. II Stand: Mai 2001) enthält dabei keinen Hinweis darauf, dass der in § 9 Abs. II AVB WasserV. festgelegte Frontmetermaßstab gegenüber den in § 9 Abs. III niedergelegten Kriterien zu bevorzugen wäre. Vielmehr ergänzen sich beide Absätze in der Weise, dass dem Wasserversorgungsunternehmen eine verursachungsgerechte Kostenbeteiligung der Anstoßnehmer ermöglicht wird.
Ein Verstoß gegen den dem § 9 AVB WasserV. zu Grunde liegenden Gedanken der Kostengerechtigkeit läge hiernach nur dann vor, wenn der Beklagte als Wasserversorgungsunternehmen im hier betroffenen Versorgungsgebiet die verschiedenen Anschlussnehmer nach unterschiedlichen Kriterien zu Vorschüssen herangezogen hätte. Das ist nicht feststellbar.
Der Beklagte hat vielmehr in dem hier betroffenen Baugebiet für alle Einheiten den Bemessungsmaßstab der "gleichartigen wirtschaftlichen Einheit" angewandt. Das ist nicht zu beanstanden. Das Kriterium der "wirtschaftlichen selbstständigen Einheit" sowie "Wohneinheit" ist in § 9 Abs. III AVB WasserV. - worauf die Einzelrichterin bereits zutreffend hingewiesen hat - ausdrücklich als geeignet vorgegeben. Die Gefahr, dass es durch die Anwendung abweichender Bemessungskriterien zu ungerechter Kostenverteilung und damit ggf. auch zu Über- oder Unterzahlungen kommen kann, ist hier dadurch ausgeschlossen, dass der Beklagte diesen Bemessungsmaßstab einheitlich für das gesamte Baugebiet anzuwenden hat bzw. anwendet. Aus diesem Grund ist die Klägerin auch mit dem Einwand ausgeschlossen, der Beklagte möge einen anderen Abrechnungsmaßstab verwenden. Denn der Beklagte hat gerade den einmal angewandten Maßstab für das gesamte Baugebiet anzuwenden, um eine gerechte Kostenverteilung zu gewährleisten. Nach der Anlage II zu § 9 AVB WasserV. sowie nach § 1 III der Satzung der Gemeinde ####### stellen Reihenhauseinheiten nämlich ohne Rücksicht darauf, ob sich die Einheiten auf selbstständigen Grundstücken im Sinne des Grundbuchs oder auf einem einheitlichen Grundstück befinden, selbstständige Wirtschafteinheiten dar. Damit fällt auf gemietete Reihenhauseinheiten gleichmäßig der Baukostenzuschuss zur Höhe von 1.600 DM jeweils an.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist hier auch nicht ein Maßstab des Buchgrundstücks einschlägig. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung des OVG Lüneburg in Nds.Rpfl. 1989, 188) betrifft keinen vergleichbaren Fall. Diese Entscheidung bezieht sich nämlich auf die Anwendung des Buchgrundstücksbegriffs im kommunalen Beitragsrecht. Sie betrifft mit der Frage, ob dann, wenn nach Grundstücksgröße abgerechnet wird, eingewandt werden kann, nur ein Teil der Fläche profitiere vom Anschluss, eine andere Problematik.
c) Der Beklagte hat auch im konkreten Einzelfall nicht gegen das Willkürverbot verstoßen.
Zwar muss sich der Beklagte im Rahmen des Verwaltungsprivatrechts auch an öffentlich-rechtlichen Maßstäben messen und sein Handeln auf mögliche Grundrechtsverletzungen überprüfen lassen. Es erscheint aber nicht willkürlich, das Reihenhaus als wirtschaftliche Einheit eher einem einzelnen Haus gleichzustellen als einer Wohneinheit in einem Mehrfamilienhaus. Dafür, Reihenhäuser eher einem Einfamilienhaus als einer Wohnung in einer Wohnungseigentümergemeinschaft gleichzustellen, spricht vielmehr auch, dass hier separate Anschlüsse auch mit später jeweils separater Abrechnung entwickelt werden, während - anders als beispielsweise bei der Stromversorgung - in einer Wohnungseigentümergemeinschaft in der Regel ein Hauptanschluss angerechnet wird, der nur von der Zahl der intern nachgeordneten Wohnungen hier weiter dimensioniert werden muss. Dass man sich auch für eine Wohnungseigentümergemeinschaft hätte entscheiden können, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn gerade das haben die Reihenhauskäufer nicht gewollt. Sie stellen tatsächlich Wirtschaftseinheiten dar.
d) Aus den vorstehend gesagten Überlegungen heraus widerspricht es auch nicht dem Gleichheitsgrundsatz, eine Reihenhausanlage unter grundsätzlichem Anknüpfen an den Begriff der Wirtschaftseinheit anders als ein Mehrfamilienhaus zu behandeln. Denn jedenfalls für den Bereich des Frischwasserverbrauchs, der beispielsweise bei einem großen Garten größer als einem kleinen sein wird, wird nach Verbrauch abgerechnet und spielt dieser für den Anschluss als solchen keine besondere Rolle. Deshalb ist der Anknüpfungspunkt an eine Wirtschaftseinheit auch wasserrechtlich überzeugender als reihengrundstücksbezogene Kriterien wie auch beispielsweise die Frontlänge. Denn selbst wenn die Straßenfrontlänge im Durchschnitt bei einem freistehenden Einfamilienhaus länger als bei einer Reihenhauseinheit sein mag, verbleibt es dabei, das Leitungen ohnehin schon da sind und deshalb die Leitungslänge allein für die Bemessung der Herstellung der Anschlüsse eine nur untergeordnete Rolle spielen kann.
3. Nach alledem war die Berufung der Klägerin mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 708, 710, 713, 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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